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Wissen wir, was wir wählen?

Sind wir ausreichend informiert?

Politische Informiertheit bezieht sich auf die Fähigkeit von Bürgerinnen und Bürgern, sich angemessen mit den vorgelegten Themen auseinanderzusetzen, Botschaften zu erfassen und Konsequenzen zu verstehen, um informierte Entscheidungen zu treffen. Kurz gesagt bedeutet Informiertheit, dass Bürger aktiv die Sachfragen bearbeiten und die erhaltenen Informationen verarbeiten können. In einer sich stetig wandelnden Welt mit verschiedenen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen gewinnt die Informiertheit der Bürger zunehmend an Bedeutung. Sie müssen in der Lage sein, fundierte Entscheidungen darüber zu treffen, wie bestimmte Prozesse gestaltet werden sollen und wer sie vorantreiben sollte. Informationsasymmetrien begünstigen fehlerhafte politische Entscheidungsfindungen und erschweren die Rechenschaftspflicht.

Theoretischer Hintergrund

Die Informiertheit der Schweizer Bürger wurde in mehreren Analysen untersucht. Gruner und Hertig (1983) zeigten in ihrer Studie, dass ein beträchtlicher Teil der Bürger nicht als kompetent einzustufen ist. Ihr Index basierte auf zwei Vox-Fragen, die sowohl das Wissen über die Vorlagen als auch die Kompetenz abfragten. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass nur ein kleiner Teil in der Lage war, ihre Wahlentscheidung zu begründen (Gruner und Hertig 1983). Ihre Ergebnisse legen nahe, dass viele Bürger nicht als ausreichend informiert betrachtet werden können. Dies wirft Fragen zur Demokratiequalität und Legitimität der Entscheidungen aufgrund mangelnder Bürgerinformiertheit auf. Im Gegensatz dazu kommen Colombo (2016) und ihre Forschung zu anderen Ergebnissen. Sie untersucht das Konzept der Informiertheit in einer direkten Demokratie neu, indem sie die Fähigkeit der Wähler misst, ihre Entscheidungen mit politischen Argumenten zu begründen. Sie argumentiert, dass dies das Konzept einer überlegten Meinung besser misst. Ihr Konzept des Rechtfertigungsgrads weist auf hohe Informiertheit hin. Sie zeigt auf, dass Wähler im Gegensatz zu den Befunden von Gruner und Hertig (1983) die Argumente aus politischen Vorlagen durchaus verstehen. Zudem betont sie, dass individuelle Ressourcen und der politische Kontext wichtige Faktoren für die Bürgerinformiertheit sind (Colombo 2016).

Das Beispiel der Masseneinwanderungsinitiative

Milic (2015) untersuchte ebenfalls die Informiertheit der Bürger, insbesondere in Bezug auf die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative (MEI). Er argumentiert, dass die Befürworter der Initiative ein geringes Verständnis für die Vorlage hatten und somit die wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen nicht angemessen einschätzen konnten. Laut Milic (2015) hätten besser informierte Individuen gegen die MEI gestimmt. Seine Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Bürger über die Sachlage informiert waren. Einige Bürger glaubten fälschlicherweise, dass das Freizügigkeitsprinzip mit der Europäischen Union verhandelbar sei, was sich später als falsch herausstellte. Diese falschen Annahmen führten letztendlich zur Annahme der Initiative, da viele Bürger falsch informiert waren.

Schlussfolgerungen?

Die Ergebnisse von Gruner und Hertig (1983) wiesen auf ein niedriges Informiertheitsniveau der Schweizer Wählerschaft hin. Colombo (2016) und Milic (2015) widerlegten diese Befunde in ihren Studien und zeigten, dass die Schweizer Bürger über eine gewisse bis hin zu hoher Informiertheit verfügen. Jedoch deuten weitere Auswertungen von Tackle Politics darauf hin, dass es den Schweizer Bürgern oft an der Fähigkeit mangelt, ihre Entscheidungen differenziert zu begründen. Die wachsende Komplexität der Vorlagen kann ebenfalls das Verständnis beeinträchtigen, wie Colombo (2016) mit ihren Ergebnissen zeigt: Komplexe Vorlagen gehen mit einem Rückgang der Informiertheit einher.